Corona-Demos - ein Interview mit Henri
Der Veranstalter einer Corona-Demo gibt uns Auskunft über seine Motive und Positionen.
Dürfen Lehrerinnen Kopftuch tragen? „Das kommt darauf an“, urteilte jüngst das Karlsruher Bundesverfassungsgericht und löste damit bei Studienräten, Bürgermeistern und vielen Eltern panische Reaktionen aus. Neuköllns junge, sozial-demagogische Bürgermeisterin, Franziska Giffey, sah gar schon das Buschkowski’sche Lebenswerk bedroht. Das Verfassungsgericht kontakariere schulpädagogische Konzepte, Integration werde rückgängig gemacht, die Verwaltung verkomme zum Karneval und - noch viel schlimmer - Schulverwaltungen und Rektoren stünden fortan vor unlösbaren Rätseln. Ihnen sei die Bürde auferlegt, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für das Tragen des Kopftuches wirklich gegeben seien. Unzumutbare Gerichtsverfahren seien die Folge. Schon damals fragte sich der sporadische Hörer der Grundrechte-I-Vorlesung: „Hä, welche Voraussetzungen muss denn eine Muslima beim Tragen eines Kopftuchs erfüllen?“ Richtig, KEINE! Artikel 4 des Grundgesetzes ist weit auszulegen. Ebenso wie das Kruzifix, das manch einem um den Hals baumelt, und die Kippa, die ein anderer auf der Bauze trägt - das Kopftuch als religiöses Symbol oder als von Glaubensregeln vorgeschriebenes Kleidungsstück wird selbstverständlich vom Schutz der freien Religionsausübung getragen, die nach ganz herrschender Juristenmeinung sogar schrankenlos gewährleistet werden muss. Also nix mit Erregung öffentlichen Ärgernisses, Leitkultur oder patriotischen Europäern. Religionsausübung ist grundsätzlich erst einmal frei und kann nur ganz ausnahmsweise vom Staat - der Schulbehörde wie der Neuköllner Bezirksverwaltung - beschränkt werden. Wie gut, dass das Verfassungsgericht diesen Gedanken endlich konsequent zuende gedacht hat. Ob man es nun mag oder nicht, die Freiheit der Religionsausübung, die im zweiten Schritt weder Differenzierungsmerkmal noch Anlass zu Ungleichbehandlungen sein darf, ist ein hohes Freiheitsgut und damit unabdingbarer Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und nun kommt Frau Betül Ulusoy ins Spiel, die ich hoffte, letzte Woche bei einer Referendars-Ersti-Party in Berlin anzutreffen. Aber eine junge Dame mit Kopftuch war da leider weit und breit nicht zu sehen, was die Realitäten rund um die aktuelle Hysterie zu Kopftüchern in öffentlichen Arbeitsverhältnissen gleich drastisch gerade rückt: Frau Ulusoy wäre die ERSTE Kopftuchträgerin gewesen, die überhaupt in Neukölln eine Referendarstelle in der Bezirksverwaltung angetreten hätte. In einem Bezirk, in dem Muslime einen erheblichen Anteil der Bevölkerung ausmachen. Da erzähle mir noch mal einer, es gebe in unserer Gesellschaft keine systematische Diskriminierung von muslimischen Frauen, die das Kopftuch tragen. Woran das liegt, und wer dafür verantwortlich ist, kann ich zwar nicht sagen. Die Neuköllner Stadtverwaltung jedenfalls hat sich in dieser Episode nicht mit Ruhm bekleckert. Dass Bezirksbürgermeisterin Giffey die Bewerbung zunächst (SPD-)partei-intern auf Rechtmäßigkeit vor dem Hintergrund des Berlines Neutralitätsgesetzes prüfen ließ, klingt zwar komisch und hört sich verdächtig nach Einzelfallbehandlung an, aber gegen eine Rechtsprüfung ist ja nichts einzuwenden. Problematischer hingegen ihre Reaktion auf die anschließende Absage von Frau Ulusoy. Diese habe unnötigerweise Umstände verursacht, es sei schlechter Stil, trotz Zusage des Bezirks kurzfristig abzusagen, und natürlich am Schlimmsten: Frau Betül Ulusoy habe ja gebloggt. Von Selbstinszinierung etc. ist da die Rede. Das Übliche. Mir zeigt dieser Fall vor allem eines: Eine junge Muslima, die auf das Tragen des Kopftuches besteht, einen Präzedenzfall heraufbeschwört, ihr Studium und ihren Referendardienst meistert und darüber im Internet veröffentlicht ist kein typisches Diskriminierungsopfer, sondern kann muslimischen Frauen als Vorbild dienen. Darüber können wir uns alle freuen.